Iris Trübswetter — Bayerische Ostgesellschaft
Jugend kommuniziert: Bayerisch-Russisches Jugendkulturforum zu Film und Theater

Das neuerliche Heraufdämmern des kalten Krieges, die Wirtschaftssanktionen von EU und USA gegenüber Russland und die beidseitigen militärischen Drohgebärden haben viele der positiven Entwicklungen der freundschaftlichen Annäherung Deutschlands und Russlands nach dem Ende der Sowjetunion zum Stocken gebracht. Unterhalb dieser offiziellen Sanktionspolitik wurde für das Jahr 16/17 2017 das deutsch-russische Jahr des Jugendaustausche ausgerufen, initiiert von den Außenministern Russlands und Deutschlands, Sergej Lawrow und Frank-Walter Steinmeier, die auch die Schirmherrschaft für das Jahr übernommen haben.

In diesem Kontext fand am 18. Oktober im Einstein Kultur in München unter dem Titel: „Jugend kommuniziert, erstes bayerisch-russische Jugendkulturforum 2017 – Film und Theater" ganztägig eine Konferenz statt, initiiert von der Gesellschaft Russland-Deutschland und der Stiftung «Russkij Mir» und durchgeführt in Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern OstWestWirtschaftsForum Bayern und der Bayerischen Ostgesellschaft.

Der russische Generalkonsul Sergey Ganzha eröffnete die Veranstaltung mit seinem Grußwort, dem sich Vertreter aus Staatskanzlei und Kulturministerium anschlossen, sowie die Vorsitzenden der ausrichtenden Vereine, Xenia Zinoviev in Vertretung ihrer erkrankten Mutter Olga Zinoviev (Gesellschaft Russland-Deutschland), Staatsminister a.D. Eberhard Sinner (OstWest WirtschaftsForum Bayern e.V) und Iris Trübswetter, 1. Vorsitzende Bayerische Ostgesellschaft e.V, außerdem der Vorsitzende des BDWO Peter Franke und der Vorsitzende der föderalen Agentur für Jugendangelegenheiten Rosmolodesch Alexey Ljubtsov.

Die Teilnehmer des Forums waren aus Moskau und St. Petersburg angereist, sie kamen aus Bayern, Hamburg und Berlin. Regisseure, Schauspieler, Drehbuchautoren, Musiker aus beiden Ländern stellten sich einem 100 köpfigen, vielfältigen Publikum, darunter zahlreichen Schülern und Studenten vor, die zumeist aufgrund ihrer russischen Sprachkenntnisse eingeladen waren.

Das zweistündige zentrale Panel leitete Christine Hamel, Kulturredakteurin beim BR, die die Teilnehmer der Runde aus russischen und deutschen Film- und Theaterleuten einzeln vorstellte und dann mehrere grundsätzliche und aktuelle Fragen stellte. Da waren David Lindner-Leparda, Filmproduzent, Jochen Greve, Drehbuchautor, Martina Veh, Regisseurin, Vincent Kraupner, Regisseur, Leonid Semenov, Schauspieler, Christoph Reiserer, Komponist und Filmemacher, David Drevs, Fachübersetzer – alle aus München- und aus Russland Andrey Bogatyrev, Regisseur von Dokumentar- und Spielfilmen, Komponist, Maxim Katuschkin, Filmregisseur, Talgat Batalov, Theaterregisseur und Schauspieler, und Danil Tschaschtschin, Theaterregisseur.

Frau Hamel beschrieb kurz die große Tradition der deutsch-russischen Kulturkontakte, die Ende es 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erlebten. So war auch die Entwicklung des deutschen und russischen Films eng verwoben. Russland und Deutschland waren ein gemeinsamer Kommunikationsraum, und die Kunst war die Sprache des Aufbruchs in Europa. Zwei Kriege unterbrachen diese einzigartige Zusammenarbeit, die sich dann seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder vorsichtig entwickelte.

Die Fragen, die Frau Hamel stellte, waren folgende: Was ist relevant? Welche Visionen hat der einzelne und wo liegen die Probleme? Gibt es einen Trend zur Renationalisierung? Wie wichtig ist Internationalität? Wie unterscheiden sich Innen- und Außenperspektive? Was ist zu tun?

In der Diskussion der Film- und Theaterschaffenden zeigte sich, dass die Grundthematik des Theaters und auch des Spielfilms, das menschliche Drama, allgegenwärtig sei, die individualisierende und psychologisierende russische Literatur des 19. Jahrhunderts die Vorlage liefere, die Handlung sich jedoch auf der jeweils regionalen Folie entwickle. Die staatliche Filmförderung spiele hier wie dort eine zentrale Rolle bei der Finanzierung. Die Filme seien im jeweils anderen Land zu wenig vertreten, da ihnen weder wirtschaftlicher Erfolg zugetraut werde, da sie in der anderen Kultur nicht von einem breiten Publikum verstanden würden. Außerdem bedürfe es erst der Untertitelung oder Synchronisierung. Die Qualität und Vielfalt des russischen Films sei hoch und hier zu wenig bekannt. Der Hollywood Blockbuster sei im Kino hier wie dort ähnlich vorherrschend. Die politische Einflussnahme wurde zwar diskutiert, man kam aber zu keinem Abschluss. Während die russischen Regisseure eher davon ausgingen, unzensiert und frei arbeiten zu können, bestritt dies ein in München lebender russischer Schauspieler und wies darauf hin, dass auch in Deutschland Zukunft der künstlerischen Freiheit bei der aktuellen politischen Entwicklung nicht gesichert sei. Konkret wurde auch bedauert, dass Projekte der Zusammenarbeit, die bereits gut angelaufen waren und deren Finanzierung gesichert schien, durch die politische Abkühlung plötzlich finanziell austrockneten. Im Bereich der Oper wurde keinerlei Fremdeln registriert und auch im Bereich des Theaters erscheint die Zusammenarbeit leichter. Was fehle, um eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen bzw. Produktionen zu exportieren, seien die finanziellen Mittel.

Gemeinsam war allen das Bedauern, zu wenig voneinander zu wissen und der Wunsch nach mehr und intensiverer Zusammenarbeit. Es wurden eine Reihe von konkreten Vorschlägen gemacht und den Veranstaltern ans Herz gelegt, bei der Umsetzung behilflich zu sein. Staatsminister a.D. Eberhard Sinner meinte in seinem Schlusswort, bis zur geplanten Anschlusskonferenz in Moskau im nächsten Jahr sollte man sich vornehmen, die Förderung für die Umsetzung von drei Projekten zu organisieren.

Am Nachmittag fand im Plenum eine Diskussionsrunde zum Thema Spracherwerb, Jugendaustausch, Städtepartnerschaft, Kulturtransfer statt. Sie wurde geleitet von Prof. Martin Fincke, der im Hochschulaustausch zwischen Passau und Krasnojarsk tätig war, Oksana Kogan Pech, die im Auftrag des BDWO und der Stiftung Russkij Mir mit dem Russomobil an deutschen Schulen tourt, um Schüller für das Erlernen der russischen Sprache zu motivieren, Benjamin Holm vom deutsch-russischen Jugendaustausch in Hamburg, Peter Franke, Vorsitzender des BDWO und Klaus Streinz, Vertreter der Städtepartnerschaft Höchstadt-Krasnogorsk.

Es wurden zahleiche Defizite sichtbar: Peter Franke beklagte die Tatsache, dass russische Schüler ab 12 Jahren an einem deutschen Konsulat bzw. an einer Visastelle ihre Fingerabdrücke abgeben müssten. Dies könne für die Jugendlichen eine zweimalige weite Reise zum nächsten Konsulat bedeuten und behindere den Schüleraustausch erheblich. Die russische Seite verlange diese Prozedur dankenswerterweise – noch – nicht.

Benjamin Holm vom deutsch-russischen Jugendaustausch wies auf das zu geringe Interesse am Austausch hin, so dass die bereitgestellten Mittel von jährlich ½ Million Euro nicht ausgeschöpft würden. Er wünschte sich mehr Anträge für Austauschprojekte. Es sei die Finanzierung von 150 bis 200 Projekten möglich. Der DRJ gehe auf eine Abmachung zwischen Schröder und Putin aus dem Jahr 2004 zurück.

Die russische bzw. deutsche Sprache als Basis des gegenseitigen Verstehens wurde von Oksana Kogan-Pech, Susanne Fabich-Hederer und David Drevs genauer analysiert. Während in Russland die Zahl der deutschlernenden Schüler stark zurückgegangen und Englisch nun die bevorzugte Sprache sei, friste Russisch als dritte Fremdsprache an den bayerischen weiterführenden Schulen ein kümmerliches Dasein. Es werde an zu wenig Schulen angeboten, es würden zu wenig Russischlehrer eingestellt. Um diese Situation zu verbessern müsste die geforderte Einstellungsnote an den Bedarf angepasst werden. David Drevs vom SDI wies darauf hin, dass die Sprach- und Dolmetscherausbildung an seinem Institut davon abhänge, wieviele Schüler mit guten Sprachkenntnissen bei ihnen das Studium aufnehmen, d.h. wieviele überhaupt die Sprache erlernen. Oksana Kogan-Pech vom Bund deutscher Ost-Westgesellschaften, BDWO, bereist auf Einladung der Schulen mit dem Russomobil Deutschland, und interessierte Schüler, die vor der Wahl der 3. Fremdsprache stehen, können an einem Probeunterricht teilnehmen, der ihnen die Sprache schmackhaft macht. Diese Werbung komme gut an, sei jedoch zu gering, etwa im Vergleich zu Französisch, das mit 7 Teams unterwegs sei.

Tatjana Lukina, Gründerin und Leiterin des Münchner russischen Kulturzentrums Mir e.V beschrieb ihre bereits 26 Jahre andauernde Mittlerarbeit zwischen russischer und deutscher Kultur. Theateraufführungen russischer Stücke, Literaturfestivals, heuer die Literaturreihe zur Oktoberrevolution, Ausstellungen seien gut besucht und ein wichtiger Baustein der russisch-deutschen kulturellen Bildungsarbeit.

Eine bedeutende Rolle, wenn nicht die bedeutendste, in den zivilgesellschaftlichen deutsch-russischen Kontakten spielen die Städtepartnerschaften. In Bayern sind es nur sehr wenige. Als Vertreter war Oberstudiendirektor Klaus Strienz eingeladen, der die Städtepartnerschaft Höchstadt-Krasnogorsk mit großem Engagement und Erfolg betreibt. Details lassen sich auf der Homepage nachlesen. Er schwärmte von seinen besonders guten persönlichen und freundschaftlichen Kontakten, die auch ohne vertiefte Sprachkenntnisse möglich seien und rief dazu auf, sich nicht durch die Sprachbarriere abschrecken zu lassen.

Gleichzeitig fanden 4 Theater-, Film- und Musikworkshops statt, zu denen sich die Schüler hatten anmelden können, unter den reizvollen Titeln:

1. Vodkatrinkende Bären tanzen im Schneetreiben um einen Samowar
2. Ein russisches Märchen als Action-Thriller ?
3. «Panzerkreuzer Potemkin» reloaded

Zur Begeisterung des Plenums konnte zum Abschluss Christoph Reiserer die Vertonung eines Stummfilmausschnitts vorführen, die er mit den Workshopteilnehmern in den zur Verfügung stehenden zwei Stunden brillant erarbeitet hatte. So gab es zum Abschied noch eine Premiere zu sehen und zu hören an diesem späten Nachmittag.

Der Gang auf dem Hochufer der Isar hinüber zum russischen Generalkonsulat, in das Generalkonsul Ganzha eingeladen hatte, war dann eine willkommene Abwechslung an der frischen Luft nach acht arbeitsreichen Stunden in den renovierten früheren Brauereigewölben des Einstein Kulturzentrums.